Der Kult lebt von der Legende ¶

In einem amerikanischen Pub sitzen einige Freunde zusammen und trinken mitten am Nachmittag ein Mixgetränk, welches einer von ihnen selbst erfunden hatte. Der Cocktail besteht aus 4cl Absinth und doppelt soviel Champagner, der über einen – mit einem Spritzer Angostura versehenen – Würfelzucker ins Glas gegossen wird. Sie frönen dem Bohemienleben und nach drei bis fünf dieser Drinks beginnen sie, aus eben dieser Schnaps-Champagner-Laune heraus, literarische Wetten mit einem Einsatz von 10 Dollar abzuschließen. Als ein Journalist aus dieser Runde plötzlich dreist behauptet, er könne aus bloß sechs Wörtern einen Roman, eine ganze Kurzgeschichte dichten, wetten all seine Kumpanen dagegen und fordern den Beweis. Er sagt:

For sale:
baby shoes,
never worn.

Der Journalist, der übrigens auch diesen Drink erfand, hieß Ernest Miller Hemingway.

Spencer Tracy und Ernest Hemingway mit Frau und Freunden im
Spencer Tracy und Ernest Hemingway mit Frau und Freunden im „La Florida“, Havana, Cuba

Mit diesem Nachmittagsplausch unter Literaten, Schauspielern und Journalisten gingen zwei Dinge in die Geschichte ein:

  • Die Sechs-Wort-Poesie
    – Hemingways amerikanische Antwort auf Bashōs japanisches Haiku, bekannt  geworden unter dem Hashtag #sixwords.
  • Der Drink Death in the Afternoon
    – der aus beschriebenem Anlass so heißt wie ein Essay Hemingways.

Wie man ihn pur trinkt, schrieb der Erfinder einst höchstpersönlich:

Pour one jigger of absinthe into a champagne glass.
Add iced champagne until it attains the proper opalescent milkiness. Drink three to five of these slowly.

In diesem Sinne:

11 Kommentare zu „Der Kult lebt von der Legende ¶“

  1. „Trinken ist wie reisen, ohne sich vom Stuhl zu rühren … Das ist die Kunst, zu sitzen und zu trinken, einen ganzen Abend bis in die Nacht hinein, darin besteht die Kunst: so lange ruhig sitzen zu bleiben, bis du dich bewegst. Sachte und unbeschwert reist du fort von dir selbst.”

    (Tomas Espedal, Gehen oder die Kunst, ein wildes und poetisches Leben zu führen, 2011)

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

  2. Eine tolle Anekdote – was rede ich?! – zwei tolle Hemingways! Der Drink schmeckt lecker, die Geschichte dahinter kannte ich nicht, bin deshalb umso beschwipster!

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