Nachsehend habe ich gesühnt, doch zurückblickend versöhne ich mich mit den Töchtern dieses Schicksals, verbrüdere mich mit den Schwestern meiner Muse, mache meinen Frieden mit der Mutter meiner Erde Sprache, mit dem Vater meiner Länder, söhne mich aus mit dem Gevatter meiner Tode. Ich strecke ihm die Bruderhand aus, dem alten – und küsse das neue Jahr brüderlich, verschwörerisch verbündend. Ich mach wieder gut, was schlecht tat: Beschwichtigend schlichte ich den Streit zwischen Alt und Neu, zwischen Jahr und Tag, zu Silvester feiern wir die Beilegung der Kriege in mir, die Konziliation zwischen den himmlischen Dämonen und heidnischen Engeln; ich stifte jede Kerze aus Eintrachts Wachs, entzünde jede reuende Flamme der Verzeihung, lege die scheinbarsten Winterblumen und Eiskristalle auf jedes Grab, die unscheinbarsten Kiesel und Steine auf jedes Mal, jedes mal, wenn ich absolviere. Heutzutage habe ich die Einsicht und übe Nachsicht mit verpassten Chancen und verpatzten Fehlern, nehme keinem Irrtum etwas übel, drücke Auge um Auge zu, beiße Zahn auf Zahn, lasse bei jedem Versehen Gnade vor Recht ergehen und Verständnis walten. Ich bade alles wieder aus, glätte nieder die Wogen und bügle aus, was mir Falten gab, behebe und rücke ruckzuck zurecht, was ratzfatz schief lief, ich richte, was ausgerenkt und renke ein, was mir so ausgekugelt ist. Ich entschuldige mich und jeden der 366 Tage, bezahle für jede der 52 Lehrwochen gern, großzügig und mit Trinkgeld für die 12 Studienmonate; ich danke den 8784 Lebensstunden, die ich lebendig genoss – dank Schalttag sogar noch mehr als im Jahr zuvor! Retrospektiv streue ich Asche auf das Haupt des letzten Jahres und futuristisch diskulpiere ich das nächste bereits im Voraus. Den vollen Monden vergelte ich ihre Schäfer, Stündchen und Sündchen, spreche sie von Schwürchen frei, spreche und lasse los, trage somit nichts nach und vergebe jeden Taten, den gut gemeinten und den bös gewollten, ich ignosziere, was ich getan und pardoniere, was mir angetan, lasse durchgehen, was passieren musste, halte kein Reisendes auf, stehe niemandem im Wege, wirble nicht mit Staub. Dafür biege ich wieder hin, zurecht und gerade, was ich und sich verbogen, was auf Biegen und Brechen mir eingebrockt wurde, löffle ich laut- und restlos aus, damit morgen, im neuen Jahr die Sonne wieder schneit…
In Rauhnachts Sinne:
„damit (…) die Sonne wieder schneit…“ ich hoffe, das ist kein Tippfehler zu ’scheint‘, ist nämlich schön so wie es dasteht: eine besonnene Schreibe, fast schon magisch!
Es ist alles gut, so, wie es dasteht und da steht, danke.^^
Stark! Habe soeben erfahren, dass es einen zweiten Teil gibt, werde ihn gleich lesen… ;-) Klingt alles sehr spannend!
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