Zum #WelttagDesBuches eine florale Ode aus dem Krankenbett.
Mir werden Blumen geschenkt, Genesungswünsche inklusive, von Freunden zuhauf, die es gut mit mir meinen; aus der Lethargie des Krankenbettes heraus betrachte ich die ganze Fensterbank mit gutgemeinten Schnittblumen, nur unten in der Ecke ruht ein Stapel Bücher, neue und antiquarische, für mich persönlich abgegeben von einer Handvoll guten Freunden. Ansonsten ranken Pflanzen darüber, dahinter, daneben, ringsumher bäumt sich noch einmal blühende Flora auf, statt gepflanzt totgeweiht geschnitten, zu Sträußen geschürzt, mit Wasser bis zum Vasenhals getränkt, mit Pülverchen drin, wie ich am armen Tropf, mit Infusion zur Lebenserhaltung, beschnitten und amputiert stehen sie Spalier, hier eine blaue Blume mit Schleife, dort Ranunkeln mit Karte, da sogar ein selbstgepflücktes Sträußlein, in der Flasche eine einzelne Lilie mit Stempel, unten ein Gesteck nicht immergrün, darüber ragt ein opulenter Strauß gebunden, dessen Vogelbeeräste rausstechen; noch buhlen sie alle um den besten Platz, einen an der Sonne, noch drängen sie dem Licht entgegen, doch dörren sie bereits langsam aus, Farbe lassend, erblassend wie grauer Star, bald wird hier alles welk sein und trüb. Ein Meisterwerk des Stilllebens wie von Delacroix als Sinnbild in Öl gemalt. Die Rosen blühen schon lange, ihre Köpfe können kaum das Gewicht der Krone, ihrer vollen Blüte tragen, lassen ab und an geräuschvoll ein Blütenblatt fallen wie eine Diva, eine Prima Ballerina, ein sterbender Schwan.
Ars moriendi; ich schaue Blumen beim Sterben zu, trage Sträuße zu Grabe, wie grotesk, dies soll meinen Aufenthalt verschönern, doch ich erfreue mich kaum an ihnen, kurz vor dem Tod, ich begleite sie sanft, trockne gleichsam, versuche, wie sie noch einmal zu blühen, versuche, nicht zu wissen, was kommen wird, versuche, Haltung zu bewahren, das Köpfchen möglichst oben zu halten, nicht einzuknicken. Sie können dies viel besser als ich, obschon ich darin mehr Übung haben sollte. Wir versuchen tapfer, Gnade vor Frieden zu finden, versuchen, das Leben zu feiern, statt den Tod zu beklagen, ein wenig geh ich ein letztes Mal mit, mit ihrem Eingehen, der Zeit entgegen. Vielleicht bewahre ich das ein oder andere zarte Blümchen vor dem Kompost, auf dem wir alle landen, presse sie zwischen den Büchern, konserviere sie in ihrer Fragilität als auserwählte Blüte, erlesen zwischen den Seiten, Vergissmeinnicht. Diese Bücher dort werden uns alle überdauern, obgleich sie hier fast untergehen, ungesehen; allein zu wissen, dass sie da sind, beruhigt mich, dass ich sie irgendwann vielleicht sogar wieder lesen kann, nährt meine Zuversicht. Und manchmal, wenn ich ganz alleine bin, schleppe ich mich heimlich mühsam zum Bücherstapel hin, setze mich als sterbendes Blümchen auf die Fensterbank, durchblättere die Bücher wie ein Daumenkino vor meinem Gesicht und rieche an ihnen, wie herrlich sie duften!
Mögen viele Worte Dir Medizin sein!
Dir ein großes <3 für diesen feinfühligen Wunsch und verzeih mein spätes Zurückschreiben – ich brauchte schlicht etwas länger Zeit, mich wieder ins Leben einzufinden [im wahrsten Sinne]… Danke für Deine Treue!