Die Gedichte Wolf Wondratscheks begleiten mich mein ganzes Leben lang bereits, nicht nur innerlich. Er selbst verkörpert eine Philosophie der Poesie, die meiner sehr nahe ist; es verbindet mich viel mit Herrn Wondratschek, ob auf der Theaterbühne, als Radio-Performance, bei Lesungen oder als Rock-Poet ohne Band. So bleiben mir hochpoetische Zyklen purer Ehrlichkeiten wie „Chuck’s Zimmer“, „Die Einsamkeit der Männer“ (Lowry-Lieder) oder „Carmen oder Ich bin das Arschloch der achziger Jahre“ in Erinnerung als eigen Erlebtes.
Der Roman „Mara“ ist hingegen ein sanftes, aber nicht minder starkes Buch Wondratscheks. Protagonist ist das berühmte Stradivari-Cello Mara, welches benannt wurde nach dem berüchtigten Virtuosen Mara, dessen Eskapaden im 18. Jahrhundert für Gesprächsstoff sorgten. Das hier erzählende Violoncello hat 300 Jahre auf dem Buckel, ist mehrmals um die Welt gereist, hat für Könige und Bürger gespielt, in Kathedralen, Schlössern und modernen Philharmonien, und klingt nach wie vor wie am ersten Tag.
„Ich bin eben nicht nur einfach ein Cello, sondern das Kind meines Vaters, ein Kunstwerk eigenen Rechts. Und ich bin Mara, eine Legende.“ … „Ich stehe seit meiner Geburt im Dienste zeitgenössischer Musik. Ich habe Türen knallen gehört wie Ohrfeigen. Ganze Stuhlreihen leerten sich unter schlurfenden Schritten, andere waren von Beginn an überhaupt leer geblieben. Macht nichts, macht doch nichts, denn seht! Oder hört, sage ich, und glotzt nicht! Und sitzt nicht da wie in nassen Socken. Es wird nicht mehr komponiert, um Schneiderrechnungen zu zahlen. Es tagt das Weltgericht. Die Schöpfung schrumpft, dem Adler gehen im Fluge die Federn flöten, es plumpst der Himmel unters Mikroskop. Sprengsätze gehen hoch in Spieldosen. Ein Schmetterling zeigt seine Krallen. Wenn ich jetzt nicht alles verwechsle, ist das spannend. Fliegt fort! Versucht, die Sonne zu fassen! Hört Ihr den Lärm, den die Rosen machen mit ihren Dornen. Wie laut das Innere aus den Bäumen bricht, und wie der Saft spritzt. Tod, schreit die Seele, sauf! Es dreht ein Fluch die Maulwürfe um unter der Erde. Es fallen Äste, die Schäfer erschlagen und Liebespaare, die da doch eben noch in ihrem reichen Schatten ruhten; das Publikum, zu Grabe getragen von Fröschen in Karnevalshüten.“
hallo martin! wow, dass du einen eigenen blogbeitrag aufgrund meiner bitte um einen mittwochsbuchtipp verfasst, finde ich einfach riesig! ich selbst habe noch herzlich wenig wondratscheck gelesen und viel noch weniger von ihm gehört. aber dies wird sich bestimmt bald ändern. man kann schliesslich nicht alles kennen, aber umso mehr entdecken! liebe grüsse, nanu
Ich bin immer offen für literarische Aktionen jegwelcher Art. So danke ich Dir für die Anfrage und wünsche weiterhin gutes Gelingen für diese Aktion. Liebe Grüße zurück.