Beim Bummeln mit den Augen aus meinem Schau-Fenster sehe ich fern, im wahrsten Wortsinne, mit jedem Blinzeln zappe ich, mein #Programm bedient mich. Es kommt mal wieder nichts außer Realitys, aber immerhin kein Trash-Format oder Junk #TV. Ich habe sogar Glück; gerade läuft meine Lieblings-Sitcom „Harvestsoap“, eine fabel-hafte Seifenoper.
So treffe ich in der heutigen Episode meiner „Seasonal Soap“ auf den blauen Harald, ein Häher, im Hain der Herold und Späher; er kennt seine Pappelheimer und zwitschert Neuigkeiten, noch bevor es die Spatzen von den Dächern pfeifen können. So beliefert er gerade eine Clique von herrlichen Bäumen mit dem neusten Tratsch aus dem Tann; vier, fünf stehen beieinander im Kränzchen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Einer hat eine Glatze komplett, so dass man regelrecht die feinen Äderchen an seinem Kahlkopf sieht, ein anderer trägt seine schütteren Blätter hinten, zusammengebunden wie ein roter Ross-Kastanien-Schwanz, doch oben ist auch er fahl, neben ihm ein Beschnittener und einer von diesen Betagten kämmt sich spärlich gar noch einen letzten gelbbelaubten Ast quer über sein Haupt. Sie lästern über die lächerliche Lärche mit der lachenden Lerche in ihrem Nistkasten und tuscheln über die vornehmen Tannentanten mit ihren gutsitzenden Hochsteckfrisuren im treuen Immergrün; auf der Wiese sticht die Gemeine Fichte mit ihrem Beehive heraus und wegen des #Herz-Tattoos am Stamm, aus welchem ihr Harz blutet. Sie ist hier in der Waldung die Alleinstehende, doch für Harald ist schon klar, dass eben diese im Verborgenen längst ihre Wurzeln beim Kastanienbaum geschlagen hat, der still und leise seit Jahren verstohlen einen Hauptast zu ihr rüberwachsen lässt, aber in der Baumgruppe gibt er sich ihr gegenüber weiterhin distanziert. — Plötzlich wird es ganz still um die Lichtung, weil der Cameo-Auftritt eines Stars, der über sie hinweg fliegt, die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Davon unbeeindruckt wippen weiter hinten Wumm und Wendelin, die hippen Espen, wie zwei Discofüchse im Trott. Ihre emporsteigenden, hochgewachsenen Stämme tragen stolz ein buntes, wenngleich welkes, Blätterkleid, vorne einen fein gestrüppten Bart und unten um den Strunk einen Busch. Ihr einander berührendes Geäst beherbergt einen Gast, offensichtlich eine süße „Troublemakerin“, wie sie in keiner Serie fehlen darf; die Figur fügt der Slow-Burning-Story eine anziehende Dramatik hinzu. — Ausgerechnet die arglose Taube Frida stört den Frieden! Jene, die unter immer noch laubgeplagten Blätterdach beschließt, den #Herbst voran zu treiben, indem sie flatternd von Spross zu Zweig hüpft, sich schüttelt und sträubt, mit ihren Flügeln die Bäume schlägt, bis von jedem Astwerk eines jeden Baumes ein jedes Blatt abfällt, um auf dem noch höheren Trieb dasselbe zu treiben. Wohlwollend hält sie nach jeder Ebene inne und schaut melodramatisch dem wegen ihr fallenden Laubregen zu, dem Blätterfall, wie sie sonst ihrem in der Luft tänzelnden Flaum zusieht, den sie beim Mausern verliert und der Wind davon haucht: Sie ist die Herrin ihres trauten Haines! Doch wie immer in diesen Sitcoms ist die Idylle nur von kurzer Dauer, denn im Hintergrund schleicht sich ihr Widersacher an, der sie lauernd dabei beobachtet hat, bereits Pläne schmiedend, spielt er mit List auf zur Ränke und zeigt sich zu Kabalen aufgelegt: Käthe, ein gedrungener Krähenkerl, der sich in Sturm und Drang alsbald ein Gefecht mit Frida um die baumKrone liefert. Die Spannung steigt mit einer fast furiosen Verfolgungsjagd, gipfelnd in den Wipfeln als Mantel-&-Degen-Einlage: Sie schnäbeln säbelnd hin und her, hier ein Pick, der im Federkleid hängen bleibt, da ein Terz unter’m Auge, es wird gebissen, Federn ausgerissen und ein rabiates Krächzen ausgestoßen – oder war es ein Hilferuf? Sie bauschen ihr Gefieder als Manöver taktierend auf wie Puffärmel, sie fechten federnd, schwingen sich mit ihren Schwingen wie Piraten von Mast zu Mast oder Primaten von Ast zu Ast. Sie verlieren sich im Kabbeln um den höchstmöglichen Nistplatz, die beste Aussicht, die reinste Luft dort oben, die Vorherrschaft des Luftraums oder um die letzten Blätter…
Währenddessen Kleinganove Guildo, das in Tarnfarben gehüllte, eicherne Hörnchen mit wehendem Schwanz, schier unbemerkt eifrig unten herum wieselt, sich die Maultaschen vollstopft, so viel wie möglich mitnimmt, was auf seinem Weg zum Naschen daliegt, wegen dem Birdfight herunterfiel oder wegen des fehlenden Laubes dadurch offengelegt wurde. Schließlich die unerwartete Wendung: Plötzlich schwärmt aus dem Off eine Rabenbande ein wie Hells Angels, fliegt der kleinen Krähe zur Seite, um sie dohlend anzufeuern: „Krawehl, #krawehl!“ Da die Taube weder taub noch dumm ist, sondern mutig genug, um ihre Niederlage einzugestehen und hinlänglich anmutig, um unter dem Gelächter der Galgenvögel davonzufliehen. Der alte Hausmeister Wind schmunzelt seinen Schabernack hinzu, fegt schon mal das Laub am Boden zusammen. Dies stäubt noch aus dem Gehölz die flatterverdatterte Esther auf, eine Schurkin im Frack, doch die Elster macht die Fliege; was sie wohl wem wie gestohlen hat…? — Ein Freeze-Moment, Nebel zieht jäh auf, das Licht bricht im diffusen Abendrot; die übergebliebenen Baumblätter rascheln Applaus, die Pilzlinge jubeln euphorisch empor, Buck Fink singt im Nest ein Lied darüber, die Titelmelodie: Ich schalte mich aus, schliesse die televisionellen Läden, denn der Vorhang dieses Schau-Spielhauses ist gefallen, der #Fern-seher ist ermattet…
#Epilog:
Ob die Taube nun müd‘ war des Herbstes wegen oder freudig dem Winter hin, ob sie wahrlich blättergestresst oder schlicht gelaubweilt war; das und vieles mehr erfahre ich wohl erst in der nächsten Folge meiner „Seasonal Daily Soap“. Vorerst bin ich davon eingelullt, tagesbefriedigt.
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