Das Jugendwort des Jahres 2024 wurde also gesprochen: „Aura“ soll es sein, doch ähnlich wie „Karma“ wird es in keinem esoterischen Zusammenhang mehr verwendet. Es passt wohl eher in die neudeutsche Reihe charakteristischer Attribute wie „Rizz“ für ‚Charisma‘ und zum „Swag“ eines „Ehrenmannes“ :
So scheint hier „Aura“ eine besondere, aber nur schwer in Worte zu fassende Eigenschaft zu sein, die jemanden oder etwas irgendwie faszinierend erscheinen lässt. Ältere Bezeichnungen dafür sind Mehrwortausdrücke wie „Je-ne-sais-quoi“ oder „das gewisse Etwas“ , zwischen dem kurzen, englischen „Sexappeal“ und dem knappen, Seinfeld-lettischen: „Kavorka!“ Eigentlich wie alle Jugendwörter wird auch dieses mitunter gern ironisch oder mit einem spöttischen Unterton verwendet; so existiert zum Beispiel sowohl die „Mini-Aura“, als auch eine „Minus-Aura“.
Das 2008 ins Leben gerufene [unter Sprach-Schlauberger:innen bekannt als] „Jug[Endwort des Jahres]“ wird seit 2020 von keiner ⇥langenscheidt’schen Jury mehr vergeben, sondern kann von allen, die sich im Teenager-Alter befinden, frei gewählt werden. So ist es zwar näher an der tatsächlichen Umgangssprache dran, doch ist es eben auch nur eine Beliebigkeit des jugendlichen Übermuts, bestenfalls ein sturmgedrängtes Amuse-Bouche auf der Speisekarte der Sprache, vor dem Hauptgang – dem offiziellen „Wort des Jahres“ – und dem Nachschlag weiterer Wortlisten, wie das „Unwort des Jahres“ etc.usw.
Ich würde daraus nicht ableiten, dass die Jugend tatsächlich so spricht:
Lutz Kuntzsch
„Das Ganze ist ein Sprachspiel.“
⇥Gesellschaft für deutsche Sprache e.V.
Man kann ja auch schlecht zu jedem Teenie-Ausdruck einen #poetischen Gedanken fassen. Vielleicht gerade deshalb gefiel mir das Jugendwort 2023 „Goofy“ etwa für einen „Lauch“ als unbeholfenen Lulatsch oder ungelenken Trampel. Als „doof, komisch“ steht der Begriff „goofy“ ebenso für eine Fußstellung auf dem Surfbrett oder Snowboard, die mit dem rechten Bein vorne wesentlich tölpelhafter aussieht. Selbstredend führt auch hier die Bedeutung auf ⇥Walt Disneys Comicfigur von 1932 zurück, die besonders auffällt durch ihre alberne Verhaltensweise als „Tollpatsch“ .
Apropos: Das aus dem Ungarischen stammende Wort „Talp“ heißt „Sohle“ oder „Fuß“ , wobei „talpas“ („talpasch“ ausgesprochen) „breitfüßig“ bedeutet. Ungarische Soldaten, die statt festes Schuhwerk, bloß breitkremplige Sohlen an die Füße geschnürt hatten, gingen dadurch ungeschickt und schwerfällig, also breitfüßig trampelnd und zuweilen täppisch über ihre eigenen Beine stolpernd. Wie so ein „Goofy“ eben.
Das ursprüngliche Wort „Tolbatz“ hätte eigentlich korrekt mit „Tolpatsch“ übersetzt werden müssen: Durch volksetymologische Umdeutung, in denen sich irrtümliche Herleitungen eingebürgert haben, wie das ähnlich klingende „toll“ (verrückt, komisch) und „Tölpel“ (ungeschickter, plumper Mensch) mit „patschen“ (schwerfällig laut auftreten, auch laut zuschlagen, ohrfeigen), wurde das Wort in seiner Bedeutung verallgemeinernd zu der heute üblichen Bezeichnung erweitert. Die Rechtschreibreform legalisierte dann auch noch die falsch geschriebene Form „Tollpatsch“ mit Doppel-L als einzig richtige Schreibweise. Um dies regelrecht [!] zu besiegeln, kürte der ⇥Deutsche Sprachrat am 25. April 2008 auf Initiative des ⇥Goethe-Instituts im Wettbewerb „Wörter mit Migrationshintergrund“ den Vorläufer von „Goofy“ , eben diesen „Tollpatsch“ zum „Besten eingewanderten Wort“.
#Epilog:
Da das Klagen über den Verfall der deutschen Sprache so alt ist, wie die deutsche Sprache selbst, lassen wir das und akzeptieren auch, dass es immer — und das war es damals schon — bodenlos cringe ist, wenn Erwachsene versuchen, sich in #Jugendsprech zu üben; nicht nur so genannte „Boomer“ ernten hierbei bloß ein müdes side eye, aber safe kein slay… Übrigens wurde als inoffizielles „Boomer-Wort des Jahres“ der deutsche „Sportsfreund“ gewählt, knapp vor „Schnabulieren“ … Na geht doch – ähm: Läuft bei dir!




Raus mit der Sprache: