#Prolog:
35 Jahre nach der Wende rief Olaf Kanzlei Scholz stolz die Zeitenwende aus: „Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor!“, prophezeite er in seiner Rede selbsterfüllend. 2022 wurde „Zeitenwende“ das von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gekürte #Wort des Jahres. Doch schon Rio Rockpoet Reiser konnte ein Lied davon singen und ich stimme mit ihm ein:
#Rio Reiser verkörperte wie kein anderer die Deutsche Rebellion in ihrer Um- und Zusammen-Bruchstimmung im Zentrum des subversiven Untergrunds, dem West-Berlin der 1970er Jahre inmitten Hausbesetzungen, Kommune 1, LSD und Heroin, RAF und SED – Die anarchistische Band „Ton Steine Scherben“ rund um Reiser wurde zum Sprachrohr einer Jugend-Bewegung und lieferte den Soundtrack für den Aufbruch einer ganzen Generation. Ihre Parolen aus der Zeit und Textfragmente finden sich noch im heutigen Sprachgebrauch wieder; bei Wahlen, wichtigen Entscheidungen oder Abstimmungen hört man immer wieder mal: „Keine Macht für niemand!“ und es wird demonstrativ „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ skandiert. Ich selbst zitiere ja gerne aus dem „Rauchhaus“, andere berufen sich auf seine queere Lebensweise in einem Atemzug mit Ziggy Bowie Stardust, Lou Transformer Reed und anderen…
Als durch und durch gesellschaftlicher und politischer Mensch wurde Rio Möbius Reiser im Jahre 1976 angefragt, den Wahlkampf einer gewissen SPD musikalisch zu unterstützen; aus diesem Anlass schrieb er zwar einige Songs, die er jedoch nicht unter dem Band-Label ‚Ton Steine Scherben‘ herausgebracht hat, da er Kritik aus den Reihen der radikalen Linken fürchtete. Später, nach der bundesrepubliken Machtübergabe von Helmut SPD Schmidt an Helmut CDU Kohl, just zu der Zeit, als die Abgeordnete Claudia Grün Roth die Managerin der ‚Scherben‘ war, spielten eben diese offiziell im Bundestag-Wahlkampf 1983 für die Grünen auf. Ebenso engagierte sich Rio Reiser vier Jahre später, diesmal solo, für einen grünen Wahlerfolg. Man behautet, seinen politischen Höhepunkt erlebte er 1988 – mitsamt 6000 meist jugendlichen Konzertbesucher:innen – in der DDR. Kurz vor der Wende sang er dort:
„Alle Türen war’n offen, die Gefängnisse leer / Es gab keine Waffen und keine Kriege mehr / Das war das Paradies“ Er fragt: „Gibt es ein Land auf der Erde / Wo dieser Traum Wirklichkeit ist? / Ich weiß es wirklich nicht”. Und er antwortet unter aufbrausendem Jubel: „Ich weiß nur eins und da bin ich mir sicher / Dieses Land ist es nicht. Dieses Land ist es nicht!”
Rio Reiser
„der Traum ist aus“
Damit reihte sich Rio sogleich mit Westernhagens „Freiheit“ oder dem „Wind of Change“ der Scorpions in die Musikgeschichte der Wende ein. Obschon Reiser auf positive Veränderungen in der Deutschen Demokratischen Republik mithilfe der progressiven Kräfte gehofft hatte, jedoch nicht auf eine Übernahme des westdeutschen Systems. 1990 wurde er deshalb Mitglied der Partei des Demokratischen Sozialismus, weil er sich „immer für Außenseiter eingesetzt“ habe. Die PdS benutzte alsbald seinen „König von Deutschland“ als Wahl-Kampfsong, allerdings von einem Kinderchor gesungen, was dazu führte, dass das Original ebenso kaum mehr im Radio gespielt und der Videoclip boykottiert wurde. Rio Reiser starb 1996 – zwei Jahre vor Helmut Kohls Abkanzelung…
#Epilog:
Genosse Habeck, eck habe davon gehört, dass Dir der Kollege Herbert G. untersagt hat, seinen Song „Zeit, dass sich was dreht“ zu verwenden. Das hätte gut gepasst, schade. Trotz aller Ironie solltest Du aber – aus Gründen – auch nicht auf den „König von Deutschland“ für die Bundeskanzlerwahl setzen… Aber mit einem durch & durch grünen Grünen Rio-Reiser-Song aus der guten, alten Klamottenkiste könnte die Königswahl zu gewinnen sein: „Wann?“ wenn nicht jetzt und wer, wenn nicht Du, lieber Robert?
¯\_( ͡° ͜ʖ ͡°)_/¯
P.S. Ich freu mich auf unser #Küchengespräch…




Raus mit der Sprache: